Ressourcen stärken, seelische Kraft erhalten

Eine ALS-Erkrankung geht im Laufe der Zeit aufgrund der zunehmenden körperlichen Einschränkungen für die Betroffenen mit Verlusten einher: Einiges, was bisher Ihr Leben geprägt hat, geht nicht mehr. Dies kann gravierende Veränderungen im Alltag mit sich bringen, insbesondere, wenn Sie ein körperlich sehr aktiver Mensch waren, aber auch Veränderungen im Selbstbild (Wer bin ich, außer dem Rennradfahrer und Wanderer, oder der, die große Runden stets mit launigen Erzählungen unterhalten kann?) und im sozialen Umfeld (Um beim Beispiel zu bleiben: werde ich meine Freunde und Bekannten aus der Rennradgruppe und dem Wanderverein weiterhin sehen, mich mit ihnen austauschen können, welche Rolle nehme ich in meinem Umfeld zukünftig ein?).

Nicht trotz, sondern wegen der großer Belastungen und Herausforderungen ist es wichtig zu versuchen, weiterhin auch die Dinge wahrzunehmen, die Ihnen Kraft und Halt geben und die Ihnen guttun.

Der erste Schritt auf diesem Weg ist es, sich zu fragen: Was ist es denn, was mir Kraft gibt, gerade in schwierigen Zeiten? Was gab es da früher mal, worauf ich vielleicht heute zurückgreifen kann? Gibt es neue Beschäftigungen und Interessengebiete, die ich mir erschließen könnte?

In Anbetracht der beschriebenen Verluste kann dies zweifelsfrei eine sehr herausfordernde Aufgabe sein. Auf dieser Suche werden Sie auch damit konfrontiert werden, was Ihnen alles wichtig ist/war und Kraft gegeben hat und was davon mit der Erkrankung verloren geht. Wir möchten Sie dennoch einladen, nach dem zu suchen, was erhalten bleibt oder neu hinzukommen kann:

Vielleicht gelingt es Ihnen - auch, weil sie sich von alten, z.B. sportlichen Hobbies verabschieden müssen -  sich neue Hobbies und Interessen zu erschließen, z.B. Musik hören, sich mit dem Computer zu beschäftigen, in sozialen Netzwerken aktiv sein, lesen oder Dokumentarfilme schauen. Vielleicht kommt Ihnen das vor wie ein „billiger Ersatz“, klar, es ist „nicht das Gleiche“. Dennoch besser, als ohne diesen Ersatz?

Unsere Mitmenschen sind unsere wichtigste Kraftquelle: pflegen Sie die sozialen Kontakte, die Ihnen wirklich wichtig und wertvoll sind, versuchen Sie, einen liebevollen, wertschätzenden Umgang mit diesen Herzensmenschen zu pflegen. Manche Betroffene sind überwältigt und überrascht von der Liebe und Unterstützung, die Sie erfahren. Und auch Sie bleiben trotz körperlicher Einschränkungen doch der gleiche Mensch, die gleich wertvolle Persönlichkeit, die Anderen mit Liebe, Wärme, Ratschlägen, Humor und einfach Ihrem „Sein“ zur Seite stehen kann! Vielleicht gelingt es Ihnen gemeinsam mit Ihren Mitmenschen, trotz körperlicher Einschränkungen auch bisher über Hobbies verbundene sozialen Kontakte aufrecht zu erhalten, beispielsweise mit der Wandergruppe rollstuhltaugliche Ausflüge  zu machen, oder die Wandergruppe wöchentlich zum Kaffee zu empfangen, statt diese Kontakte ganz aufzugeben. Vielleicht gelingt es Ihnen sogar, neue Kontakte und Freundschaften zu knüpfen oder bisher oberflächliche zu vertiefen… Kommunikationseinschränkungen können diesen Lebensbereich verkomplizieren, von allen Seiten Geduld und Kreativität abverlangen. Näheres siehe hier

Möglicherweise hilft es Ihnen auch, sich auf Orte zu besinnen, an denen Sie gerne sind, die Ihnen Ruhe und Kraft, und diese gezielt häufiger aufzusuchen, z.B. den eigenen Garten, den Wald, oder auch den Trubel in der Fußgängerzone.

Man kann dem Leben leider nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben.

Kleine Strategien, um sich der eigenen Ressourcen bewusst zu werden, können zusätzlich sein:

  • Schreiben Sie auf bzw. überlegen Sie, was Ihnen im Leben bisher gut gelungen ist / was Sie im Leben Positives erfahren haben / wofür Sie dankbar sind
  • Schreiben Sie täglich auf bzw. überlegen Sie, was heute gut war / wofür Sie heute dankbar sind
  • Bitten Sie ihre Herzensmenschen, Ihnen aufzuschreiben, was Sie an Ihnen schätzen

 Einige Betroffene berichten auch, dass sie es als schmerzlich empfinden, von Ihrem Umfeld auf die Erkrankung reduziert zu werden, mehr als Kranke*r wahrgenommen zu werden, denn als der Mensch mit seinen Eigenschaften, Fähigkeiten und Interessen, der man ist - Äußern Sie dies ggf. offen, Ihre Mitmenschen tun dies mit Sicherheit nicht in böser Absicht. Und sprechen Sie selbst über die Dinge, die Ihnen wichtig sind.