Für Angehörige

Die psychosozialen Themen, die auf den vorhergehenden Seiten behandelt werden, betreffen und beschäftigen selbstverständlich auch Sie als Angehörige eines Menschen, der an ALS oder einer ähnlichen Motoneuronerkrankung erkrankt ist. Dennoch möchten wir jetzt noch einmal ganz spezifisch Sie als Partner, Kind, Eltern, Geschwister, Freundin oder Freund des erkrankten Menschen ansprechen.
Denn auch für Sie ist die ALS mit enormen Verlusten, Einschränkungen und zudem mit belastenden Aufgaben verbunden - und damit verbundene mit Gefühlen von Traurigkeit, Hilflosigkeit, Angst und Sorge und auch Wut und Frustration.
Besonders große Veränderungen und Herausforderungen bringt die Erkrankung zwangsläufig meist für diejenigen Angehörigen mit sich, die mit dem Erkrankten zusammenleben und die hauptverantwortlich für dessen Unterstützung und ggf. Pflege sind. Das Leben, wie Sie es vor der Diagnose hatten, ist für die Angehörigen in dieser Situation nicht mehr möglich. Ihr Lebensalltag, Ihre Lebenspläne und Zukunftsvorstellungen werden über den Haufen geworfen. Ihre Lebensqualität leidet. Ihre Rolle und demnach Ihre Beziehung zum erkrankten Menschen verändert sich unfreiwillig: Sie sind nicht mehr länger ausschließlich z.B. Partnerin/Partner, sondern auch Pflegerin oder Pfleger.
Doch die Belastung ist auch für viele An- und Zugehörige groß, die nicht oder nicht dauerhaft vor Ort bei der Patientin/beim Patienten sind. Das sind zum Beispiel diejenigen, die viel Zeit mit den organisatorischen und bürokratischen Angelegenheiten verbringen oder damit, Besuche beim erkrankten An- oder Zugehörigen in ihren Alltag unterzubringen. Diejenigen, die in Gedanken fast permanent beim Erkrankten und bei den pflegenden Angehörigen sind, aber nicht selbst vor Ort sein können und in großer Sorge um sie leben. Das Empfinden von Hilfs- und Machtlosigkeit kann in diesen Fällen sehr stark sein.

Die Inanspruchnahme professioneller Pflege für den ALS-Erkrankten stellt für die Angehörigen einerseits eine enorme Entlastung dar und ist daher von großer Wichtigkeit. Denn die Pflege einer ALS-Patientin/eines ALS-Patienten ist nicht nur zeitlich, sondern auch körperlich und emotional hochgradig anstrengend und zehrend. Sie sollte bzw. KANN spätestens in fortgeschrittenen Stadien nicht mehr alleine abgedeckt werden. Pflegerische Unterstützung kann es ermöglichen, sowohl die verbleibende gemeinsame Zeit mit dem erkrankten Angehörigen so gut wie möglich zu nutzen, als auch dringend benötigte Zeit für sich selbst zu finden. Andererseits ist mit dem Einbezug professioneller Pflege  keinesfalls "alles gut" für Sie als Angehörige. Zum einen, weil die Angehörigen weiterhin als Unterstützende und auch für pflegerische Aufgaben gefordert werden. Sie bleiben fast immer erste Ansprechpartner und auch die organisatorischen und bürokratischen Belange und diesbezügliche Hürden bleiben bestehen. Der Einbezug eines ein ambulanter Pflegedienst hat außerdem zur Folge, dass Sie Ihr Zuhause nicht mehr für sich alleine haben und im Extremfall 24/7 mit anderen Menschen teilen. Wird die Patientin/der Patient in einer Pflegeinrichtung (Pflegeheim, Pflege-WG) untergebracht, stellt das die Angehörigen vor andere Belastungen und Herausforderungen. Denn die Möglichkeit, weiterhin gemeinsam zu Hause zu leben - wenn auch anders als vor der Erkrankung - ist für viele PatientInnen, aber eben auch für viele Angehörige, ein großer Wunsch und beeinflusst Ihr Wohlbefinden und Lebensqualität stark. Es ist jedoch nicht immer möglich, z.B. aufgrund der Wohnsituation, der mangelnden Verfügbarkeit von Pflegediensten oder aus finanziellen oder anderen organisatorischen Gründen. Einige betroffene Familien entscheiden sich auch gegen die ambulante Pflege zu Hause und für eine solche Einrichtung, was ebenfalls sehr verständlich ist. Viele Angehörige berichten ein schlechtes Gewissen oder sich schuld zu fühlen dafür, dass sie professionelle Pflege in Anspruch nehmen und damit den geliebten erkrankten Menschen "abschieben". Einige haben den Wunsch und auch Anspruch an sich, es alleine zu schaffen - wenigstens "so lange es geht". 

Eine wichtige Botschaft, die wir Ihnen an dieser Stelle geben möchten: Sie müssen das nicht alleine schaffen! Ihre Belastung und Anforderungen sind so oder so extrem groß, auch wenn Sie Unterstützung in Anspruch nehmen - die ohnehin leider begrenzt zur Verfügung steht. Sie haben einen Anspruch auf Hilfe und weder der Erkrankte noch Sie haben sich ausgesucht, in dieser Situation zu sein. Sie sind kein weniger guter Partner (oder guter Sohn, gute Tochter, guter Freund), weil Sie nicht alles alleine machen. Und es ist sehr verständlich und vollkommen normal, wenn Sie es zwar alleine machen wollen, aber nicht (immer alles) alleine schaffen.
Von vielen unterstützenden und/oder pflegenden Angehörige hören wir Aussagen wie: "Ich tue das ja gerne" oder "es ist selbstverständlich, sie/er würde dasselbe für mich tun". Dazu ist es uns wichtig zum Ausdruck zu bringen: Das zweifeln wir keinesfalls an oder kritisieren es gar. Ganz im Gegenteil: wir möchten Ihre Unterstützung anerkennen und wertschätzen. Dass Sie diese Rolle und Aufgaben mit Selbstverständlichkeit übernehmen heißt aber nicht, dass Sie dies nicht gleichzeitig als belastend, sogar als unlieb und überfordernd empfinden können. Für dies Gefühle möchten wir Ihre Akzeptanz wecken. Viele Angehörige gehen weit über Ihre Belastungsgrenzen hinaus und stellen die eigenen Bedürfnisse zurück. Dies ist mit negativen Konsequenzen und mit dementsprechenden negative Emotionen verbunden - und das ist völlig normal. Wir möchten Ihnen erstens vermitteln, dass Ihre Reaktionen - einschließlich Wut, Frustration, Ungeduld, Überforderung - normal sind und Sie zweitens darin bestärke und Sie dabei unterstützen, sich selbst und Ihre körperliche und seelische Gesundheit nicht zu vergessen. Denn Sie sind nicht krank - aber auch von den Folgen der Erkrankung betroffen. Hinzu kommt: Sie können Ihren erkrankten Angehörigen nur dann unterstützen, wenn Sie selbst nicht unter der körperlichen und emotionalen Last zusammenbrechen. 

Damit sprechen wir die "Doppelrolle" an, in der sich die Angehörigen befinden. Sie sind einerseits selbst (Mit-)Betroffene der Erkrankung: zwar nicht selbst ans ALS krank, aber in Ihrer und Sie in Ihrer selbstbestimmten Lebensgestaltung und Ihren Zukunftsperspektiven stark eingeschränkt. Hinzu kommen die Sorgen und Angst um den erkrankten Angehörigen und die Traurigkeit über das, was die Erkrankung ihm/ihn jeden Tag nimmt. Gleichzeitig sind Sie andererseits die wichtigste Stütze für die Patientin/den Patienten und möchten die bestmögliche Unterstützung leisten, um dessen Wohlbefinden und Lebensqualität so gut wie möglich aufrechterhalten. Dies ist ein wichtiges und gleichzeitig sehr herausforderndes, hohes Ziel - angesichts der Schwere, Geschwindigkeit und unheilbaren Prognose der Erkrankung. Hierfür übernehmen Sie Aufgaben, die zeitlich, körperlich und emotional strapazierend sind - wobei diese Möglichkeiten zu helfen auch für Sie sinnstiftend sind.  Hinblick auf dieses Ziel versuchen viele Angehörige, Ihre Belastung und Gefühle wie Traurigkeit, Angst und Wut vor Ihrem erkrankten Angehörigen zu verbergen, um sie/ihn nicht zusätzlich zu belasten. Das kostet zusätzliche Kraft - und Ihre Gefühle verschwinden nicht einfach. Diese Gefühle nicht einfach zu "verdrängen", sondern einen gesünderen Umgang mit Ihnen zu finden, ist umso bedeutsamer (s. auch: "Negative" Gefühle: welche, wozu und wie damit umgehen?). 

Wissenschaftliche Befragungen bestätigen uns, dass die große Mehrheit der Angehörigen von ALS-Patienten eine subjektiv hohe körperliche und psychische Belastung durch die Erkrankung berichtet, die mit Dauer der Erkrankung meist noch zunimmt. Dies geht einher mit einer Abnahme der subjektiven Lebensqualität. Ein Teil der Angehörigen leidet unter depressiven Symptomen und unter Ängsten, häufig stärker als die Patienten selbst. Dies erscheint gut erklärbar, in Anbetracht der Verantwortung und Last die Sie als Angehörige tragen und der Tatsache, dass die Möglichkeiten zu helfen und damit "Verbesserung" zu erzielen durch den schweren Verlauf der Erkrankung stark limitiert sind. Die Studien geben diesbezüglich auch Hinweise darauf, dass Angehörige weniger gut an die Erkrankung und deren Folgen "adaptieren": es wurde gezeigt, dass sich für viele - nicht alle - Patienten ihre Einstellungen, Erwartungen, Maßstäbe und Werte in Richtung der infolge der Erkrankung veränderten Möglichkeiten und "neuen Realität" verschieben - und somit besser mit dieser übereinstimmen. Das bedeutet nicht, dass sie glücklich oder zufrieden mit der Situation sind, aber dass Sie trotz der objektiv gravierenden Einschränkungen Lebensqualität empfinden können. Ein entscheidender Einflussfaktor hierauf sind soziale Kontakte, Beziehungen und auch spezifisch soziale Unterstützung - emotionaler und praktischer Natur. Dass sich viele Angehörige weniger gut an die Folgen der Erkrankung anzupassen scheinen, könnte unter anderem darin begründet liegen: denn viele von Ihnen fühlen sich wenig bzw. nicht ausreichend unterstützt von Ihrem sozialen Umfeld. Ein Rückzug aus familiären und vor allem freundschaftlichen Beziehungen ist nicht selten. Aber auch umgekehrt berichten viele  Angehörige, dass sich Freunde, Bekannte und auch Familienmitglieder zurückziehen, mit der Erkrankung "nicht zurechtkommen". Dies kann verständlicherweise sehr verletzend sein und das Gefühl erzeugen, alleine gelassen zu werden oder sogar einsam zu sein. Und auch die Beziehung mit dem Erkrankten verändert sich zwangsläufig: insbesondere als Partner kann dies ungeheuer belastend sein. Die Beziehung wie sie vor der Erkrankung existierte, ist so nicht mehr möglich. Im Kontrast dazu empfinden die Patienten oft große Dankbarkeit für die Unterstützung durch ihren Angehörigen. 

An dieser Stelle ist es uns wichtig zu betonen: All dies trifft bei weitem nicht auf alle Angehörigen zu. Jede Situation ist einzigartig.

Die Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen ist ein wichtiger Baustein des Themas Selbstfürsorge. Zunächst die Frage, was bedeutet das? Mit Selbstfürsorge ist gemeint, "sich Zeit für Dinge zu nehmen, die dabei helfen, gut zu leben und die seelische wie körperliche Gesundheit zu erhalten und zu verbessern."
Vielleicht kommen Ihnen jetzt Gedanken wie: "Ist das nicht egoistisch - ich bin ja nicht die, die krank ist?" und vielleicht auch: "es geht schon irgendwie, muss es ja." Erwidern möchten wir die Antwort auf die Frage: Warum ist Selbstfürsorge wichtig? Wer eigene Bedürfnisse (über längere Zeit) übersieht oder ignoriert, übergeht, der wird mittel- oder langfristig Schaden nehmen. Schaden der seelischer und/oder körperlichen Gesundheit. Und Bezug nehmend auf den vermeintlichen "Egoismus" hinter Selbstfürsorge: wer seelisch und körperlichen Schaden davonträgt, kann auch weniger gut oder gar nicht mehr für Andere da sein und sie emotional und körperlich unterstützen. Das kann zum Teufelskreis werden.
Hinter der Selbstfürsorge steht das Mitgefühl - in diesem Fall mit sich selbst. Was damit nicht gemeint ist, ist (Selbst-)Mitleid. Mitgefühlt meint, positive so wie auch negative Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen, ernst zu nehmen und Ihnen Rechnung zu tragen. Sie haben Mitgefühl mit anderen, allem voran mit Ihrem Erkrankten Angehörigen. Wie viel Mitgefühl haben Sie mit sich selbst? 
Das Thema Selbstfürsorge ist groß, weshalb wir hier nur einige Punkte anschneiden. Die Basis von Selbstfürsorge ist es, sich selbst - und damit die Signale des eigenen Körpers, des Kopfes und der Seele - wahrzunehmen und im zweiten Schritt ernst zu nehmen. Das umfasst die eigenen Gefühle und dahinterliegende Bedürfnisse. Negative Gefühle wie Wut, Traurigkeit senden uns die Botschaft, dass unsere Bedürfnisse unerfüllt oder gefährdet ist. Zum Beispiel unser Bedürfnis nach Nähe, Unterstützung oder nach Gerechtigkeit (Ausführlicher auf der Seite: "Negative" Gefühle: welche, wozu und wie damit umgehen?). Viele Angehörige in Ihrer Situation neigen sehr stark dazu, die eigenen Bedürfnisse - auch sehr basale körperliche wie auch emotionale Bedürfnisse - zu ignorieren. Dies ist nachvollziehbar und gleichzeitig problematisch. 
Drei wichtige Bausteine der Selbstfürsorge sind Schlaf, Ernährung und Bewegung. Sie nehmen gravierenden Einfluss auf unser körperliches sowie seelisches Wohlbefinden, welches im engen Zusammenhang miteinander steht. Körper und Psyche sind nicht unabhängig voneinander, sondern beeinflussen sich gegenseitig. 
Des Weiteren spielen Hobbies und Interesse, für viele auch (noch) der Beruf,  eine wichtige Rolle. Denn Sie bringen Freude, stiften Sinn im Leben und sind eine wichtige Quelle für den Selbstwert und die Selbstverwirklichung. 
Für viele sind Ihre Interessen und Freizeitbeschäftigungen mit dem Beisammensein mit anderen Menschen verknüpft. Soziale Beziehungen, gemeinsame Aktivitäten und der Austausch mit anderen, nahestehenden Menschen ist einer der wichtigsten Bausteine für Selbstfürsorge. Auch diesbezüglich unterscheiden sich Menschen stark voneinander und das ist in Ordnung. Manche fühlen sich wohler damit, nur ein oder zwei aber dafür sehr enge Kontakte zu haben. Andere bevorzugen einen größeren Kreis an Menschen in Ihrem Leben. 
Viele Angehörige berichten, dass sich ihr soziales Netzwerk infolge der Erkrankung verändert, insbesondere dass sich Menschen zurückziehen. Dies kann als mehr oder weniger schmerzhaft empfunden werden. Eine häufige Erklärung dafür ist, dass sich außenstehende Menschen überfordert und unsicher fühlen und nicht wissen, wie Sie mit dem Erkrankten umgehen, was Sie sagen sollen. Das können Sie vielleicht nachvollziehen - dennoch ist es verständlich, wenn Sie dafür nur begrenzt Verständnis aufbringen können; es Sie nicht nur traurig, sondern vielleicht auch wütend macht und sie "trotzig" reagieren mit: "Dann halt nicht, ich hab genug Probleme". In manchen Fällen ist diese Einstellung wahrscheinlich auch die gesündeste und damit im Sinne der Selbstfürsorge. Gerade aber, wenn es sich um wichtige Personen handelt, möchten wir Sie darin bestärken auf die- oder denjenigen zuzugehen. Eine grundsätzlich hilfreiche Kommunikationsstrategie ist es, dem anderen offen die eigenen Gedanken und Gefühle zu offenbaren; z.B. "Ich bin traurig darüber, dass wir den Kontakt verloren haben und auch enttäuscht, dass Du dich nicht gemeldet hast." - und die Beweggründe des Anderen zu erfragen, anstatt etwas zu unterstellen: "Was hat dich davon abgehalten, dich zu melden?". Im Gegensatz zu Vorwürfen kann dies sehr viel wahrscheinlicher zu einem gegenseitigen Verständnis und zu Offenheit führen und so dabei helfen, die emotionale Nähe wieder aufzubauen. Die andere Person weiß, was in Ihnen vorgeht und traut sich so eher, auch ehrlich zu sein - weil sie Verständnis erwarten kann.
Auf der positiven Seite möchten wir auch herausstellen, dass Angehörige auch berichten, dass sich Beziehungen infolge der Erkrankung intensivieren; und dass sie in diesem Zuge lernen, wer ihre "echten Freunde" sind. Im Sinne der Selbstfürsorge gilt grundlegend: Umgeben Sie sich mit Menschen, die Ihnen gut tun. 
Bei der Suche nach Aktivitäten die gut tun, kann es hilfreich sein sich zu überlegen, was einem vielleicht früher gut getan hat. Auch die eigenen Bedürfnisse bewusst wahrzunehmen, ist hilfreich: möchte ich eher etwas alleine, für mich tun?  Oder Zeit mit lieben Menschen verbringen? Möchte ich mich körperlich betätigen, in der freien Natur sein? Möchte ich mich beim Sport verausgaben oder lieber ein paar Seiten in einem guten Buch lesen oder einen Film schauen?
Vielleicht ist in Ihrem Kopf schon lange ein Einwand aufgeploppt: "Ich habe keine Zeit, wann soll ich das tun?". Oder auch: "Wer kümmert sich dann um den Patienten?". Das ist verständlich. Wir möchten Sie dennoch ermutigen, sorgsam darüber nachzudenken, wie Sie sich Freiräume und somit Zeit für Selbstfürsorge schaffen können. Wer könnte Sie unterstützen? Wann sind vielleicht Zeiträume, in denen Sie sie/ihn auch mal alleine lassen könnten? Wäre die Kurzzeitpflege für wenige Stunden eine Option? 
Die Botschaft an dieser Stelle lautet: realistisch bleiben, aber auch konsequent. Hierfür kann es hilfreich sein, feste Zeiten festzulegen und eventuell einen Wochenplan zu machen, der auch Zeit für Sie fest einplant. Oft stellen Angehörige fest, dass es schwierig, aber möglich ist, Zeit zu schaffen. Kommunikation ist zudem auch hier das Stichwort: Sprechen Sie mit Ihrem erkrankten Angehörigen - wahrscheinlich hat er Verständnis für Ihr Bedürfnis, selbst wenn es sie/ihn vielleicht traurig macht. Hätten Sie es an ihrer/seiner Stelle? Offen darüber zu kommunizieren, kann Sie sogar näher zusammenbringen. Zudem kann Selbstfürsorge natürlich auch gemeinsame Zeit mit Ihrem erkrankten Angehörigen umfassen. Überlegen Sie gemeinsam, was (noch) möglich ist und wer Sie dabei unterstützen könnte. Oft gerät dies im stressigen Alltag in Vergessenheit.
Zudem können auch kleine Dinge Selbstfürsorge sein, die kaum Zeit kosten: z.B. ein Duftöl, eine Kerze, ein gutes Lied. Auch Traumreisen, Achtsamkeitsübungen oder andere Entspannungsübungen können eine sehr wohltuende, wenig zeitaufwändige Auszeit im Alltag sein. Sprechen Sie uns an, wenn Sie diesbezüglich Beratungsbedarf haben! Auch ein kurzes Gespräch mit einem lieben Menschen kann ebenfalls Wohlbefinden schaffen. Es kann helfen sich zu fragen: Was würden Sie einem guten Freund, einer guten Freundin empfehlen?

Viele Angehörige berichten, dass Ihnen solche Aktivitäten und Zeit für sich einerseits Wohlbefinden und Kraft geben - anderseits aber ein schlechtes Gewissen oder Schuldgefühle hervorrufen. Es kommen Gedanken wie: "Ich amüsiere mich hier, während mein Angehöriger krank zu Hause liegt." Auch mit solchen oder ähnlichen Gedanken sind Sie also nicht alleine. Eine wichtige Frage ist wieder: Nützt es Ihrem Angehörigen, wenn Sie seelisch und/oder körperlich Schaden nehmen? Und auch: möchte sie/er das? Auch hier gilt: Sprechen Sie solche Gedanken und Gefühle offen an. Angehörige berichten, dass die Patienten sie in solchen Gespräch darin bestärken, sich Zeit für sich zu nehmen und vielleicht sogar erleichtert darüber sind. Denn die Patienten wiederum quält häufig die Sorge, ihren Liebsten eine Last zu sein. Zudem möchten wir Ihnen mitgeben: sich schuldig zu fühlen heißt nicht, schuldig zu sein. Ihr Gefühl von Schuld zeigt nicht, dass Sie etwas Falsches oder Verwerfliches machen, sondern wie viel Verantwortung sie tragen und wie wichtig Sie für Ihren Angehörigen sind. Auch hier kann es helfen zu fragen: Was würden Sie an ihrer/seiner Stelle darüber denken. Und auch: was würden Sie über eine Freundin denken, die in Ihrer Situation wäre? Würden Sie denken, dass Sie sich schuldig fühlen sollte?

Neben Schuldgefühlen berichten Angehörige auch von anderen belastenden Gefühlen. Diesbezüglich möchten wir Sie auf die die Seite "Negative" Gefühle: welche, wozu und wie damit umgehen? verweisen. 
An dieser Stelle aber spezifisch thematisieren möchten wir das Thema Wut. Wut kann in vielen Situationen im Zusammenhang mit der Erkrankung Ihres Angehörigen aufkommen - und das ist nicht nur normal, sondern auch wichtig (s. Negative" Gefühle: welche, wozu und wie damit umgehen?). Was spezifisch Angehörige berichten ist Wut, die durch das Verhalten des Patienten ausgelöst wird - und die deshalb häufig Schuldgefühle auslöst.  Der Grund dafür ist die Bewertung der eigenen Wut als z.B. "unfair" oder "unangemessen". Die wichtigste Botschaft hierzu an Sie: Gefühle sind nie "falsch" und es ist normal, dass Sie Wut und Frustration empfinden. Sie dürfen wütend sein. Einigen Angehörigen hilft es sich vor Augen zu führen, dass Sie häufig gar nicht auf den Erkrankten selbst wütend sind, sondern viel mehr auf die Erkrankung - und sich über das Verhalten des Betroffenen ärgern, das in dessen Erkrankungen begründet liegt. Ein häufiges Beispiel hierfür ist das scheinbar starke Kontrollbedürfnis von ALS-erkrankten Menschen. So berichten Angehörige z.B., dass Patienten sehr genaue Anweisungen geben und darauf bestehen, dass Dinge exakt so gemacht werden, wie sie es möchten; und keine Abweichungen dulden - auch wenn dies aus Sicht des Angehörigen irrelevant erscheint. Das kann verständlicherweise verärgern. Es kann helfen, die Perspektive des Patienten einzunehmen: sie oder er erlebt infolge der Erkrankung sehr viel Verlust von Kontrolle und der Fähigkeiten, selbst aktiv zu sein und etwas beizutragen. Ein scheinbar irrationales Verhalten wie das geschilderte kann der Versuch sein, ein Stück Kontrolle zu erleben, teilzuhaben am Leben und seine Liebsten zu unterstützen - in der Form, die noch möglich ist. Vielleicht hilft es Ihnen, diese und andere Situationen durch eine andere Brille zu sehen.

Abschließend möchten wir mit der Botschaft: Bleiben Sie nicht alleine, sprechen Sie über das, was Sie beschäftigt und nehmen Sie Unterstützung an! Für einige Angehörige sind Angehörigentreffen ein dafür hilfreicher Weg. Hier bei uns am Uniklinikum haben wir seit einigen Jahren solche Treffen etabliert, zu denen wir Sie herzlich einladen möchten. Alle Informationen dazu finden Sie hier: Angehörigentreffen.

Selbstverständlich können Sie uns auch bei Fragen und Problemen individuell ansprechen.

Zudem bietet das Land Sachsen für "Menschen, die sich in einer Pflegebeziehung oder einer pflegerischen Situation befinden, die Fragen, Sorgen oder Grenzen aufwirft" ein Pflegesorgentelefon an:  https://www.pflegenetz.sachsen.de/ein-platz-fuer-sorgen-5297.html